Antarktis

Reisenotizen - Einfahrt in den Lemaire-Kanal
Einfahrt in den Lemaire-Kanal

Zu Besuch bei Pinguin & Co

Man stelle sich ein Land vor, größer als Australien und Europa zusammen, sonniger als Kalifornien und kälter als das Gefrierfach eines Eisschranks, trockener als Arabien, höher als die Schweiz und leerer als die Sahara - es gibt nur einen Ort auf den diese Beschreibung zutrifft, auf die Antarktis, jenen fremdartigen Kontinent am untersten Rande unserer Erde.
(Joseph M. Dukert, "Die Antarktis")

Ist Tourismus in dieser Region überhaupt zu verantworten? Müssen wir wirklich in die letzten unberührten Winkel dieser Erde kriechen? Kritische Anmerkungen haben sicher ihre Berechtigung. Wir glauben aber, daß es - wie immer - auf den Rahmen ankommt, unter dem solcherart Reisen durchgeführt werden. Niemals zuvor haben wir uns auf einer Urlaubsreise (freiwillig) vergleichbaren Einschränkungen unterworfen. Die umfassende und sorgfältige Einweisung beginnt mit einer Pflichtveranstaltung für alle Reisenden. Thema: Schutzbestimmungen des Antarktisvertrages. Dabei geht es den wissenschaftlichen Begleitern weniger um die Vermittlung von Ver- und Geboten, sondern um das Werben für Verständnis: warum Mindestabstände von den Tieren zu respektieren sind und keine Kolonien betreten werden dürfen, warum oft nur in kleinen Gruppen angelandet werden kann, warum das Schuhzeug nach jedem Landgang sorgfältig zu reinigen ist, an Land nicht geraucht, nichts zurückbleiben und nichts mitgenommen werden darf.

Trotz dieser scheinbar strengen Reglementierungen ist uns kein Fall von Disziplinlosigkeit aufgefallen. Wenn das Verständnis da ist, fällt es leichter, Auflagen zu akzeptieren. Dabei soll jedoch nicht der Eindruck erweckt werden, man würde dort "Gassi geführt"; es bleibt ausreichend Zeit und Raum für individuelles Erkunden, Beobachten und - Fotografieren.

Falkland - Schwarzbrauenalbatros Die Eindrücke sind schlichtweg überwältigend und lassen selbst hartgesottene Déjà-vu-Erzähler verstummen. Kaum ein zweiter Ort, an dem dem Besucher die Zerbrechlichkeit eines ganzen Naturraumes unmittelbarer vor Augen geführt wird. Leben "am seidenen Faden", völlig abhängig von einem intakten Ökosystem, ohne Reserven gegen selbst geringfügige Veränderungen der Parameter.

Die Bedingungen, unter denen das Leben sich hier behaupten muß, sind unvorstellbar. Kaiserpinguine, die in den antarktischen Winterstürmen bei Temperaturen von minus 50-60°C brüten, monatelang ohne Nahrung, in völliger Dunkelheit. Kein Lebewesen der nördlichen Hemisphäre könnte hier auf Dauer existieren. Nur mit ausgefeilten Überlebensstrategien haben einige wenige Arten es verstanden, diese Nischen zu besetzen.

Nur noch wenige Reiseanbieter können die seit 1991 deutlich verschärften Auflagen für Passagierreisen in die Antarktis erfüllen (weltweit etwa 15 Schiffe, erstaunlich viele unter deutschem Kommando). Nach langem Suchen (wobei man sich in der Frage, wem man sein kostbares Leben anvertrauen sollte, weniger an Hochglanzprospekten, sondern eher an Empfehlungen von erfahrenen Reisenden orientieren sollte) fiel unsere Wahl auf die MS Bremen von Hapag Lloyd , einem Schiff mit wohl einem der höchsten Standards hinsichtlich Eisklasse, technischer Nautik und Umweltschutzsystemen. Für Südsee- und Karibik-Kreuzfahrer ein Kulturschock: Kein Smoking, kein kleines Schwarzes, kein Disco-Rummel, keine Animateure, statt dessen legere, zwanglose, fast familiäre Atmosphäre, eine exzellente Crew, jederzeit ansprechbare hervorragende wissenschaftliche Begleitung, Diavorträge, Filme und unendlich geduldige Wachhabende auf der rund um die Uhr offenen Brücke.

Drei Wochen waren wir mit der Bremen unterwegs, drei Wochen im antarktischen "Hochsommer" von Ende Dezember 98 bis Anfang Januar 99. 4000 sm von Ushuaia an der Südspitze Feuerlands über die Falklandinseln, Südgeorgien, Südorkney-Inseln, entlang der antarktischen Halbinsel und schließlich über die Drake-Passage zurück zum Ausgangspunkt.

Eine überraschend vielfältige Fauna, landschaftliche Kontraste vom grünen Süd-Georgien bis zum Schwarzweiß von Fels und Eis in der antarktischen Region setzen die Akzente, verstärkt durch kristallklare Luft und das intensive Licht der südpolaren Sonne. Eis in bizarrsten Formen, riesige Gletscherströme, Fahrrinnen mit 90%iger Eisbedeckung, 20-30 m hohe Eisberge ("unser" größter war ein Monstrum mit einer Kantenlänge von 18 km). Verständlich, daß Titanic-Witze an Bord wenig beliebt waren!

Adeliepinguine - Paulet Island Die Stars in dieser Welt sind natürlich die Pinguine (und sie scheinen es zu wissen). Die Kolonien: Zustände wie bei Laubenpiepern. Zänkisch und liebevoll, possierlich und neugierig, durchtrieben und scheinheilig. Trotz vielbeschworener Einehe wird schon mal vom Baum der Versuchung genascht. Ein Steinchen für das Nest der Angebeteten - liebevoll im Schnabel getragen (und meist aus dem Nest einer weniger begehrenswerten Nachbarin geklaut) - zerstreut kleinliche moralische Bedenken und wird als Entree gerne entgegengenommen.

Gold Harbour - Königspinguine Touristen werden im allgemeinen nur beiläufig zur Kenntnis genommen. Forschungsprogramme haben gezeigt, daß räuberische Skua-Möwen und der Scheidenschnabel die Pinguine wesentlich stärker beunruhigen als der Mensch, der sich an die Abmachungen hält. Zudem drängt die Zeit - nach dem langen Winter 1998 bleiben nur noch wenige Wochen für die Aufzucht der Jungen. Und das, was da als Wollknäuel unter der Bauchfalte des Weibchens (oder ist es das Männchen? Selbst Fachleute verzweifeln an dieser - für Pinguine - so einfachen Frage), was da hervorlugt ist ein gefräßiges Ungeheuer. Und es gestattet den Eltern kaum eine Verschnaufpause. Da es nichts Verwertbares an Land gibt, muß die gesamte Nahrung aus dem Meer bezogen werden. Das heißt ein ständiges Kommen und Gehen zwischen Kolonie und Küstenstreifen, durch schwieriges, teilweise steiles Gelände, durch oft tückische Brandung und stundenlange Nahrungssuche im offenen Meer. Mancher kehrt nicht zurück oder er ist schwer gezeichnet, blutend, dem Angriff eines Seeleoparden vielleicht gerade noch entronnen. Spätestens dann wird einem bewußt, daß dies kein Zoo ist, keine Idylle. Der Kampf ums Überleben ist allgegenwärtig.

Ein kurzer Blick in den Tagesablauf an Bord mit den Daten vom 31.12.1998

Sonnenaufgang 02.33, Sonnenuntergang 23.52, Mittagsposition: 64°42'S/63°08'W, Luft 3°, Wasser 0°, Wind 4 bft, See 3.
06.00 Frühstück; 07.30 Ankunft der Bremen vor Cuverville Island, Scout-Boot mit Sicherheitsoffizier und Expeditionsleiter zur Festlegung der Landestelle, gruppenweise Ausbootung in Zodiacs (im Wechsel: Pinguinkolonie und Fahrt mit den Booten zwischen die vorgelagerten Eisberge), 10.30 Uhr nimmt das letzte Boot vertrödelte Nachzügler auf (u.a. regelmäßig die Verfasser) und die Bremen nimmt Kurs auf Port Lockroy. Während des Mittagessens Durchquerung des Neumayer-Kanals, ab 13:30 Uhr Anlandung an der ehemaligen britischen Forschungsstation. Kurz nach 16:00 Uhr ist alles wieder an Bord und es geht weiter in Richtung Bransfieldstraße und die Südshetland-Inseln (160 sm). Passagiere und Lektoren treffen sich zur täglichen Frage- und Antwortstunde. Der Abend beginnt mit dem unverzichtbaren Klassiker "Dinner For One", gefolgt von einem festlichen Abendessen und endet schließlich mit einer von der Crew gestalteten gemeinsamen Silvesterfeier.

Fototips

Kälte und Nässe setzen nicht nur dem Fotografen, sondern auch der Ausrüstung zu. Fahrten mit Zodiacs bei hohem Wellengang, vor allem Anlandungen sind nichts für Wasserscheue. Bei "ewa-marine" findet man unterschiedlichste "Schutzbekleidung" für die Kamera, zwar nicht unbedingt handlich, aber wirksamer als eine Aldi-Tüte. UV-Filter (gleichzeitig Linsenschutz) ist selbstverständlich.

eine "nasse Landung" Auf die Belichtungsautomatik ist nicht immer Verlaß: Eis in grellem Sonnenlicht verstößt eindeutig gegen die Eichnorm, daß der durchschnittliche Reflektionsgrad bei 18% zu liegen hat. Will man schmutziggraue Eisberge vermeiden, muß man gezielt überbelichten oder zur Belichtungsreihe greifen. Entsprechend reichlich sollte man sich mit Filmmaterial eindecken. 1-2 Filme pro Landgang müssen einkalkuliert werden. Fotografiert haben wir mit dem RSXII 100 von Agfa. Die Ergebnisse sind hinsichtlich Schärfe und Farbneutralität (insbesondere in den kritischen Weißen und Schwärzen) beeindruckend (vgl. fotoMAGAZIN spezial 1/99). Für die größere Ausrüstung ist ein Rucksack unerläßlich (mit Wasserschutz!). Die eingesetzte Objektivpalette reichte von Weitwinkel bis 400mm. Als Stativ genügt ein stabiles Einbein.

Die Temperaturunterschiede zwischen draußen und Kabine begünstigen Kondenswasserbildung. Kameragehäuse am besten offen trocknen lassen und reichlich Silica Gel Trockenmittel in Rucksack oder Fototasche legen. Außerdem Reservebatterien nicht vergessen. Für die Nachbearbeitung verkratzter Dias (Telegraphenleitungen, etc.) sei an das Wundermittel Repolisan von Tetenal erinnert.

Abschließend ein Dankeschön

an Kapitän Thilo Natke und seine Bremen-Crew und - stellvertretend für alle Lektoren - an Brigitte Fugger von "DUMA-Reisen" für die hinreißenden Vorträge über Pinguine (es wurde vermutet, daß sie in einem früheren Leben selbst einer war ...).


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