Mexiko, Guatemala, Honduras

Im Land der Maya und Azteken

Nezahualcóyotl, Sohn des Ixtlilxochitl und der Matlacihuatzin?
Quetzalcóatl? Huitzilopochtli?
Waxaklahun Ubah K´awil (im Volksmund auch "18-Kaninchen" genannt)?

Die eigene Sprachfertigkeit sinkt schlagartig auf frühkindliches Niveau – dazu das beunruhigende Gefühl, grundsätzliche Anforderungen für einen Aufenthalt in dieser Region nicht zu erfüllen.

Wer dieserart Unsicherheiten vermeiden will, dem sei zur Überprüfung seiner Eignung – vor Reiseantritt – folgender Selbsttest angeraten:

  • Ich kann einige Wochen jenseits deutscher Regelwerke und Ordnungsvorstellungen überleben?
  • Ich akzeptiere, daß die abendländische Kultur zwar Bedeutsames hervorgebracht hat, dennoch nicht überall auf der Welt herbeigesehnt wurde? Daß Montezuma nachtragend und rachsüchtig ist?
  • Ich bin körperlich fit und schwindelfrei (und berücksichtige, daß für die Baumeister der kulturellen Stätten mein Wohlbefinden als Tourist eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat)?
  • Ich bin wohlhabend und nehme hin, daß alles oberhalb der Befriedigung von Grundbedürfnissen als Luxus gilt und seinen Preis hat (z.B. frankierte Postkarte nach Europa schlappe 5 EUR – Laufzeit von ca. 6 Wochen inbegriffen)
  • Ich beherrsche Spanisch in zumindest rudimentären Ansätzen?
    (Tip: Man übe vor allem ein verbindlich lächelndes "No gracias" mit metallischem Unterton - bevor ein Markt überquert wird)
  • Ich erkläre den Einheimischen nicht bei jeder Gelegenheit wie sie ihr Leben abwechslungsreicher und ihre Arbeitsweise effizienter gestalten könnten,
  • beklage nicht ständig in aller Öffentlichkeit das korrupte politische System und
  • halte mich mit positiven Einschätzungen zu allem "Amerikanischen" zurück?

Kurzum: Ich kann mich einlassen auf Andersartigsein und bin bereit, Vorurteile über Bord zu werfen?
Nun dann, willkommen in Mittelamerika!

Wer nicht untergehen will in gedrängter Informationsflut zu fremdartigen Mythen, unaussprechlichen Gottheiten, Völkern aus präkolumbianischer Zeit, aber auch zur Kolonial- und Revolutionsgeschichte der lateinamerikanischen Länder, dem bleibt nicht erspart, sich vorab ein Grundwissen anzulesen. Hilfreiche Einstiege bieten z.B. APA Guide Mexiko (gut bebildert, auf Wesentliches beschränkt, allerdings wenig Hintergrundinformation), als Ergänzung vielleicht Gockel, Wolfgang: Mexiko. DuMont Buchverlag, Köln (textlastiger, Schwerpunkt: kulturelle, kunsthistorische Entwicklung, leider mit kleineren Ungenauigkeiten). Das beste Werk in deutscher Sprache jedoch: Grube, Nikolai (Hrsg.): Maya – Gottkönige im Regenwald. Könemann Verlag.

Unvermeidlich ist für alle Reisenden in Sachen Kultur – leider – der Moloch Mexiko City. Immerhin: Genießen Sie den Blick aus dem Flugzeugfenster beim minutenlangen Anflug auf den internationalen Flughafen Benito Juárez; Sie fliegen über die größte menschliche Siedlung der Erde. Die Schätzungen bewegen sich irgendwo um Marke von 25 Mio Einwohnern bei ungebrochener Wachstumsdynamik. Der ungeregelte Zuwachs von über 1000 Menschen/Tag führt jede Planung ad absurdum; die größten Elendsquartiere der Welt im Osten der Stadt geben Zeugnis davon.

Aber es gibt auch erfreulichere Superlative: Beispielsweise das beeindruckende Anthropologische Museum; unerschöpflich – jedoch: man sollte der Versuchung widerstehen, alles sehen zu müssen. Auch die Museumsverwaltung unterstützt dieses Vorgehen: überraschende Schließungen ganzer Abteilungen, jahrelange Renovierungen wichtiger Einzelstücke und größere Umgestaltungen sorgen für erfreuliche Abwechslung. Vielleicht schafft man es trotz allem, etwas Ordnung in all die Olm-/Mixt-/Zapot-/Huax-/Tolt-/Chichim-/Azt- und andere -eken zu bringen. Dann wäre schon viel erreicht.

Das eigentliche Stadtzentrum ist zu Fuß bestens zu erobern. Auch wenn es hin und wieder drangvoll eng wird! Wer unfreiwillige Entwicklungshilfe vermeiden will, trennt sich besser noch im Hotel von Geld und Wertsachen – bevor es andere tun. Nur für einen Café im Gran Hotel Ciudad de mexiko mit seiner faszinierenden Eingangshalle und Blick auf den Zócalo sollte man etwas Kleingeld bei sich haben.

Doch bleiben wir bei den Superlativen. Unverzichtbar

  • im NW der Hauptstadt – Teotihuacán, "wo man zum Gott wird". In ihrer Blütezeit um 300 n.Chr. führende Handelsmacht und vermutlich auch zentrale Kultstätte, deren Einfluß sich über Yukatán bis ins Hochland von Guatemala erstreckte.
    Die Baumeister, das Volk, seine Sprache und Riten sind unbekannt. Man weiß nur, daß der rätselvolle Untergang dieser Metropole im 6. Jahrhundert n.Chr. die gesamte Region schwer erschüttert und in eine tiefe Krise geführt hat. Aufstieg zur Sonnenpyramide Jahrhunderte später fanden Azteken das Areal – verlassen und zerstört. Staunend schrieben sie dieses Werk den Göttern zu und ersparten sich damit die wissenschaftliche Detailarbeit! Zum Leidwesen vieler Besucher haben die meisten lokalen Reiseleiter diese Tugend aufgegeben. Vor akribisch vorgetragenen kulturhistorischen Theorien hilft oft nur die Flucht über 246 Stufen auf die Plattform der 64m hohen Sonnenpyramide.
     
  • das zapotekische Kultzentrum Monte Albán bei Oaxaca (ca. 550 km südlich von Mexiko City). Monte Alban Wer es vorzieht, lieber anderen durchs Bild zu laufen, als sich die eigenen Aufnahmen von rücksichtslosen Artgenossen verunstalten zu lassen, dem sei empfohlen, noch vor Tau und Tag aufzubrechen. Im Morgenlicht, mit weitem Blick ins Umland und ohne Touristen erahnt man etwas vom Besonderen dieser Anlage.
    Bereits um 500 v.Chr. besiedelt, begann um 200 n.Chr. der eigentliche Ausbau zum kulturellen Zentrum. Alle Elemente klassischer, sakraler Architektur Mesoamerikas – von den Maya weiterentwickelt und variiert – sind in Monte Albán angelegt. Die neuen Herren nach dem Niedergang um 900 n.Chr. sind die Mixteken, die Monte Albán dem Gedächtnis ihrer Toten weihen. Die eindrucksvollen Grabbeilagen zu "Grab 7" sind in Oaxaca zu besichtigen.
     
  • die Maya-Metropolen
    - Copán, Honduras,
    - Tikal, Guatemala,
    - Palenque, Chichén Itzá in Yukatán, Mexiko.

    Die erst jüngst (weitgehend) entschlüsselten Maya-Hieroglyphen haben dieser Hochkultur viel von ihrem Mythos genommen – dafür hat sie menschlichere Züge bekommen. Die Maya haben erobert und geplündert, sie haben Kriege geführt und ihre Kriegsgefangenen gefoltert und umgebracht, Adel und Priesterschaft haben es sich auf Kosten ihrer Untertanen gut gehen lassen. Kurzum, die Maya hätten auch in Europa eine gute Figur abgegeben.
    Maya – Menschen wie Du und ich? Fast! – Ausgenommen waren die Könige; sie genossen den Vorzug, als gottgleiche Wesen außerhalb der Gesellschaft zu stehen, Mittler zwischen den Welten zu sein. Schmerzlicher Nachteil: wichtigste rituelle Handlung waren die Blutopfer von König und Königin: er hatte sich mit einem Rochenstachel das Glied zu durchbohren, sie – in Ermangelung dessen – die Zunge. Blut – Symbol des Lebens…

    Jede der Städte hat ihren eigenen Reiz, landschaftlich und architektonisch:

    - Copán mit seinen Stelen, Fassadenskulpturen, der Hieroglyphentreppe
    - Tikal mit seinen hoch über den Regenwald hinausragenden Pyramiden
    - Palenque und Chichén Itzá (Amerikaner nennen es "Chicken-Pizza") als eindrucksvolle Repräsentanten der klassischen und postklassischen Ära.

    Diese Maya-Kultur hat zu ihrer Zeit Unvergleichliches geschaffen, den präzisesten Kalender aller Völker, eine hochentwickelte Schrift, Monumentalarchitektur, Stadtstaaten mit bis zu 80.000 Einwohnern. Verständlich, daß über ihren Untergang viel gerätselt worden ist. Aktuell scheint eine schon fast abgehakt geglaubte Theorie neue Anerkennung zu finden. Klimaforscher bestätigen, daß um die Mitte des 9. Jahrhunderts n.Chr. Mittelamerika von einer langjährigen schweren Dürre heimgesucht wurde. Michael Zick ("Der Maya-Mythos", 1996) schreibt zu den Folgen: "Neuerdings wird auch eine rapide Klimaänderung ins Spiel gebracht. Das austarierte politische System brach zusammen. Die Ressourcen reichten nicht mehr, der mythengestützte Konsens zwischen Herrschern und Beherrschten wurde aufgekündigt, Kult und Kultur gingen verloren: 898 letztes in Chichén Itzá inschriftlich erwähntes Datum; 909 letzte Stele in Toniná. Danach: keine Prachtbauten mehr, keine Steininschriften, keine neuen Bücher mehr. Mayaland ist verstummt."

Leben der heutigen Maya im Hochland am Atitlán-See, Guatemala

Dann, wenn die Frau im siebten Monat ist, geht sie nach alter Sitte hinaus in die Natur. So will es unsere Kultur. Die Mutter muß ihrem Kind das Leben zeigen, das sie selbst führt. Sie spricht zu ihm und erklärt ihm alles, was sie tut. Sie sagt ihm aber auch, daß es ein schweres Leben vor sich haben wird.
Elisabeth Burgos, "Rigoberta Menchú – Leben in Guatemala"


Für den Reisenden zunächst das Bild einer heilen Welt: die großartige Vulkanlandschaft um den Atitlán-See, darin eingebettet kleine Maya-Dörfer, Indio-Märkte, quirliges Straßenleben, farbenfrohe Trachten. Idylle aus dem Katalog. Wie so oft, trügt der erste Eindruck. Hinter der dünnen Fassade wird schnell die zum Nutzen einer dünnen Oberschicht betriebene gnadenlose Unterdrückung und Ausbeutung sichtbar. Ein Reisebericht ist nicht der geeignete Ort, anzuklagen oder über Recht und Unrecht zu befinden, er kann aber anregen zur vertiefenden Beschäftigung.

Meine Mutter weinte. Sie sah zu ihrem Sohn hinüber. Meine Mutter sagte, ja, daß er ihr noch zugelächelt habe, aber ich habe es nicht gesehen.
Meinem Bruder hatten sie den Kopf geschoren und die Kopfhaut zerschnitten. Er hatte keine Nägel und keine Fußsohlen mehr. Die älteren Wunden hatten sich entzündet und Wundwasser lief heraus. Allen hatten sie die Zungenspitzen abgeschnitten oder die Zunge in Stücke geschnitten.
Der Hauptmann sagte immer wieder, daß unsere Regierung demokratisch sei und uns alles gebe, was wir brauchten. Was wollten wir noch mehr?
Dann befahl der Offizier, die Mißhandelten an eine Stelle zu bringen, von der aus das ganze Volk sie sehen konnte. Sie wurden hingeschleift, weil sie nicht mehr gehen konnten. Dann rief er die Kaibiles, und sie fingen an, die Gefolterten mit Benzin zu übergießen.
Dann zündeten sie jeden einzelnen an. Als die Körper Feuer fingen, riefen sie um Hilfe. Einige schrien, andere sprangen und hatten keine Stimme mehr. Das Feuer nahm ihnen sofort den Atem.
Elisabeth Burgos, "Rigoberta Menchú – Leben in Guatemala"

Die Bürgerrechtlerin Rigoberta Menchú , India vom Stamm der Quiché-Maya, erhielt 1992 den Friedensnobelpreis.


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